Einleitung
Das Steueramt des Kantons Zürich hat seine Praxis zur Steuerbefreiung von Stiftungen wegen Gemeinnützigkeit angepasst. Neu steht eine angemessene Entschädigung der Organe einer gemeinnützigen juristischen Person einer Steuerbefreiung nicht mehr entgegen. Zudem werden gemeinnützige Tätigkeiten im Ausland grundsätzlich nach dem gleichen Massstab wie Tätigkeiten im Inland gemessen. Ausserdem sind neu auch unternehmerische Fördermodelle und sog. Impact Investments* unter gewissen Voraussetzungen als mit der Steuerbefreiung vereinbar.
Grundlagen und Steuerbefreiung
Mit der Stiftungserrichtung widmet der Stifter ein Vermögen seinen eigenen, in der Stiftungsurkunde verankerten Ideen. Der Stiftungsrat vertritt und führt die Stiftung und hat damit den Willen des Stifters umzusetzen. Die Aufsichtsbehörde hat als staatliche Kontrollinstanz sicherzustellen, dass das Stiftungsvermögen vom Stiftungsrat zweckkonform verwendet wird. Hierbei hat die Aufsichtsbehörde die Rechtmässigkeit des Handelns des Stiftungsrats zu überprüfen; eine Ermessenskontrolle steht ihr nicht zu.
Die Steuerbefreiung einer Stiftung ist von verschiedenen Voraussetzungen abhängig. Gemäss Art. 56 lit. g des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer sind «juristische Personen, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke verfolgen, für den Gewinn, der ausschliesslich und unwiderruflich diesen Zwecken gewidmet ist» steuerbefreit. Für die Bejahung der Gemeinnützigkeit sind nach der Rechtsprechung und Praxis sowohl eine Tätigkeit im Allgemeininteresse als auch Uneigennützigkeit voraussetzt. Uneigennützigkeit liegt nicht vor, wenn Selbsthilfe- oder Erwerbszwecke verfolgt werden. Unternehmerische Zwecke sind grundsätzlich nicht gemeinnützig.
Praxisänderung des Kantons Zürich
Die Praxisanpassung des Kantons Zürich erfolgt insbesondere aufgrund der geänderten gesetzlichen Grundlagen für Stiftungen, welche per 1. Januar 2023 in Kraft getreten sind. Gemäss Art. 84b ZGB müssen Stiftungen der Aufsichtsbehörde die Vergütungen des Stiftungsrates bekannt geben. Weiter hat die Aufsichtsbehörde gemäss Art. 84 Abs. 2 ZGB dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen zweckkonform verwendet wird. Erkenntnisse aus dem Austausch des Steueramtes mit den Stiftungsaufsichten des Bundes und des Kantons und ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Andrea Opel zu den steuerlichen Rahmenbedingungen für ein wirkungsvolles Stiftungswesen im Kanton Zürich stützen diese Praxisanpassung.
Entschädigung der Stiftungsorgane
Der Kanton Zürich ermöglicht mit der neuen Praxisfestlegung, dass Stiftungsräte nun eine angemessene Entschädigung erhalten können, ohne dass die Steuerbefreiung unmöglich wird. Somit lockert er die bisherige Praxis des Erfordernisses der Ehrenamtlichkeit der Stiftungsräte.
Gemäss Art. 84 Abs. 2 und 84b ZGB sind Entschädigungsregelungen bei Stiftungen von den Stiftungsaufsichtsbehörden zu überprüfen. Das kantonale Steueramt Zürich geht deshalb fortan bei Stiftungen im Grundsatz davon aus, dass die Entschädigungen von der Stiftungsaufsicht auf ihre Angemessenheit überprüft wurden und stellt auf die Überprüfung der Aufsichtsbehörde ab. Nur bei Verdacht auf einen Missbrauch werden die Entschädigungen vom Steueramt des Kantons Zürich überprüft.
Die Festlegung der Höhe der Entschädigung ist dem Stifter bzw. dem Stiftungsrat freigestellt. Es muss in der Stiftungsurkunde jedoch die Möglichkeit einer Entschädigung festgeschrieben werden, diese muss angemessen sein und die erbrachte Leistung sowie den marktüblichen Wert berücksichtigen.
Tätigkeiten im Ausland
Auslandtätigkeiten von Stiftungen werden unter dem Aspekt der Steuerbefreiung neu grundsätzlich am gleichen Massstab gemessen wie Tätigkeiten im Inland. Ausländische Tätigkeiten sind unabhängig von Art und Ort der Tätigkeit möglich, sofern sie aus schweizerischer gesamtgesellschaftlicher Sicht als fördernswert erscheinen und der mit der Steuerbefreiung einhergehende Verlust an Steuereinnahmen als gerechtfertigt erachtet werden kann. Dazu müssen die Tätigkeiten im Ausland eine positive Ausstrahlung in die Schweiz haben oder zumindest in der Schweiz als fördernswert wahrgenommen werden. Zwingend vorausgesetzt ist die Sicherstellung der notwendigen Transparenz (insbesondere lückenlose Dokumentation der Geldflüsse bis hin zum effektiven Empfänger im Ausland).
Unternehmerische Fördermodelle
Die neue Praxis ermöglicht drittens eine Steuerbefreiung von unternehmerischen Fördermodellen (u.a. Finanzierungen, welche einen Mittelrückfluss an die gemeinnützige Institution bewirken) und Impact Investments, was bisher nicht möglich war. Dabei muss nachgewiesen werden, dass die Fördermittel in Bereichen eingesetzt werden, in denen (noch) kein Markt besteht und somit Investitionen getätigt werden, welche gewinnorientierte Dritte nicht vornehmen würden. Die Investitionen sind nur im Rahmen der eigentlichen Fördertätigkeit zugelassen und die zurückgeflossenen Mittel müssen zwingend wieder für den gemeinnützigen Zweck verwendet werden.
Fazit und Handlungsbedarf
Die neue Praxis zur Zulässigkeit einer angemessenen Entschädigung des Stiftungsrats, der internationalen Stiftungstätigkeit und dem Einsatz unternehmerischer Fördermodelle verschafft dem Philanthropie-Standort Zürich eine Vorreiterrolle, hält doch die Mehrzahl der Kantone am Erfordernis der Ehrenamtlichkeit, der inländischen Tätigkeit und der Finanzierung rein durch Spenden für eine Steuerbefreiung fest.
Steuerbefreite Stiftungen, welche aufgrund der Praxisanpassung ihre Urkunde ändern, können um eine Bestätigung der Steuerbefreiung ersuchen. Dabei ist nachzuweisen, dass die Aufsichtsbehörde mit den Anpassungen (Honorierung, Zweckänderung) einverstanden ist. Zur Prüfung der Angemessenheit der Vergütungen müssen ein Entwurf der Statutenänderung, ein Vergütungsreglement und die Jahresrechnungen der letzten 3 Jahre eingereicht werden.
Nach der Veröffentlichung der neuen Praxis zur Steuerbefreiung durch den Kanton Zürich hat die Eidgenössische Stiftungsaufsicht (ESA) im Mai 2024 neue Musterstatuten für die ihrer Aufsicht unterstehenden Stiftungen veröffentlicht.
* Impact Investment: Investmentansatz zwischen zwei Extremen: Reine Philanthropie (menschenfreundliches Denken und Verhalten) und reine Gewinnmaximierung. Das Kapital fliesst in nachhaltige Geldanlagen mit direkter und nachweisbarer positiver sozialer und / oder ökologischer Wirkung. Impact Investitionen sind demnach Investitionen mit dem Ziel, neben einer finanziellen Rendite auch einen positiven sowie messbaren sozialen und ökologischen Impact zu erzielen.